Thüringer Staatskanzlei Ministerpräsident Bodo Ramelow auf seiner Thementour „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ bei der Lynatox GmbH im Technologie- und Gründerzentrum auf dem Campus der TU Ilmenau, © Thüringer Staatskanzlei

Im Rahmen seiner Thementour »Gesellschaftlicher Zusammenhalt« hat Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow am Freitag, 9. Juli, die Lynatox GmbH im Technologie- und Gründerzentrum auf dem Campus der TU Ilmenau besucht – eine von vielen Firmen, Vereinen und Einzelpersonen, die dieses Jahr einen Beitrag zur Überwindung der Krise geleistet haben. Sie wurde 2016 von TU-Absolvent Daniel Martschoke sowie Tobias Schnabel und Lars Matting als Tochterfirma der Synantik GmbH, einer Ausgründung der TU Ilmenau, gegründet. Im Zentrum ihrer Arbeit stehen die Entwicklung und der Vertrieb von Produkten und Systemen, die durch Photokatalyse, das heißt durch die Umwandlung chemischer Substanzen unter dem Einfluss von Licht, organische Belastungen in Luft und Wasser vollständig zersetzen. Barbara Aichroth hat mit CEO Daniel Martschoke über seine Arbeit und den Innovationsstandort Ilmenau gesprochen.

Herr Martschoke, organische Schadstoffe finden sich ja quasi in jedem Lebensbereich und in der gesamten Umwelt, und sie können insbesondere die Qualität von Luft und Wasser und damit auch die Gesundheit des Menschen negativ beeinflussen. Umgekehrt können also die von Ihnen entwickelten Technologien einen großen Nutzen für Umwelt und Gesellschaft bringen?

Ja, in der Tat wurden in letzter Zeit viele Studien veröffentlicht, die einen signifikanten Zusammenhang zwischen Gesundheitsschäden und flüchtigen organischen Verbindungen, so genannten VOCs, aufzeigen, zum Beispiel Hirnschäden durch Weichmacher, karzinogene und hormonelle Wirkung verschiedener VOCs oder das Sick-Building-Syndrom, also unspezifische Krankheiten und Symptome, die nach längerem Aufenthalt in einem Gebäude auftreten. Diese Stoffe lassen sich in der Regel nur schwer herausfiltern beziehungsweise nur mit hohem Energieeinsatz, zum Beispiel durch thermische Katalyse oder UV-Brenner, abbauen. Mit unserer Technologie sind wir erstmals in der Lage, diese Stoffe dauerhaft mit hoher Effizienz abzubauen.

 

Im Zentrum der von Ihnen entwickelten Technologien steht die Photokatalyse. Das wohl bekannteste Beispiel dafür ist die Photosynthese, bei der Pflanzen die Energie der Sonneneinstrahlung nutzen, um Kohlendioxid und Wasser in Kohlenhydrate und Sauerstoff umzuwandeln. Was genau bildet die Grundlage der von Ihnen entwickelten Technologie?

Bei der in den 70er Jahren entdeckten Photokatalyse handelt es sich um einen lichtinduzierten Reaktionsprozess an einem halbleitenden Material. Ähnlich wie bei einer Solarzelle wird ein Elektron-Lochpaar gebildet. Nur dass wir keine elektrische Energie gewinnen, sondern aus Luft und Wasser hoch reaktive Hydroxylradikale bilden. Diese reagieren mit jeder organischen Verbindung zu Wasserdampf und etwas CO2 – also eine Art „kalte Verbrennung“. Gefahr für Menschen besteht nicht: Die Lebensdauer der Radikale liegt im Millisekunden-Bereich und sie verlassen unsere Geräte nicht. An der Photokatalyse haben sich schon einige vor uns mit mäßigem Erfolg versucht. Zusammen mit der Materialforschungs- und prüfanstalt an der Bauhaus-Universität Weimar (MFPA) ist es uns gelungen, den Reaktionsmechanismus zu entschlüsseln und daraufhin einen eigenen hocheffizienten Photokatalysator auf Titanoxid-Basis zu entwickeln. Ein weiterer Punkt ist, dass seit einigen Jahren sehr effiziente Solid State UVA-Lichtquellen am Markt verfügbar sind. Zusammen genommen konnten wir die Effizienz gegenüber dem Stand der Technik vor fünf Jahren um über den Faktor 100 steigern und sind somit als erste Firma ökonomisch in der Lage, Luft und Wasser mittels Photokatalyse zu reinigen.

 

Was sind typische Anwendungsbereiche für diese Technologien?

Der klassische Anwendungsfall der Luftreinigung sind schadstoffbelastete Räume zum Beispiel mit PAKs, also polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen wie Naphthalin, aber auch allgemeine Geruchsprobleme und zu Hygienezwecken. In den Wasserapplikationen arbeiten wir zurzeit an Systemen zur Grundwassersanierung und dem Abbau von Ölfilmen auf Wasseroberflächen.

 

Mit Hilfe Ihrer Katalysatortechnologie lassen sich also gegebenenfalls auch kostspielige Sanierungen verhindern?

In der Tat haben wir bereits dem Steuerzahler viele Millionen Euro an Sanierungskosten erspart. Aber auch in Objekten, wo eine Sanierung unumgänglich ist, können unsere Luftreiniger als Zwischenlösung eingesetzt werden, um einen Weiterbetrieb der Einrichtung zu ermöglichen.

 

Ihr Team arbeitet derzeit gemeinsamen mit der Politik auch intensiv daran, Luftreinigungsgeräte in die Infektionsschutzkonzepte im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu integrieren. Was wäre der Nutzen dieser Geräte und welchen Vorteil hätten öffentliche Einrichtungen wie Schulen und damit auch die Gesellschaft davon?

Luftreinigung in der Goetheschule Ilmenau CE-SYS GmbHIm Sommer 2020 konnte ein Labor erstmals zeigen, dass unsere Photokatalyse nicht nur Viren abtötet, sondern diese komplett bis auf RNA-Ebene abbaut. Daher verbleiben keine zu entsorgenden Reststoffe wie verbrauchte Filtermaterialien. Wenn Sie schon die Schulen ansprechen, dann muss man auch fragen: Was passiert mit normalen Luftreinigern, die jetzt für viel Geld angeschafft werden, nach der Corona-Pandemie? Aufgrund laufender Kosten und Geräuschpegel wird man sie kaum über die Zeit hinaus betreiben und sie landen dann in Abstellräumen und später auf dem Elektroschrott.Das wollen wir nicht und setzen auf Langlebigkeit, niedrige Betriebskosten und weiterführenden Nutzen wie eine allgemein bessere Raumluftqualität und wesentlich niedrigerer Belastung durch VOCs und Allergene. Auch Kitas, Arztpraxen, Unternehmen, Pflegeeinrichtungen sowie Gast- und Beherbergungsgewerbe können davon nachhaltig profitieren. Bei einem großflächigen Einsatz dürften einige Zivilisationskrankheiten merklich zurückgehen.

 

Wie viele Jahre Forschungs- und Entwicklungsarbeit sind Ihrer Firmengründung 2016 vorangegangen?

Lediglich anderthalb Jahre und weitere fünf Jahre bei der MFPA. Wir arbeiten aber seitdem kontinuierlich weiter und zunehmend intensiver an der Verbesserung der Technologie und Entwicklung neuer Produkte und weiterer Applikationen.

 

In Ihrer täglichen Lynatox Mission identifizieren Sie sich mit dem Menschheitstraum, in einer Welt zu leben, die allen Menschen gesunde Lebensbedingungen bietet. War das für Sie persönlich auch die Antriebsfeder, um den Sprung in eine Selbständigkeit zu wagen?

Um ehrlich zu sein, nicht primär. Meine Motivation war und ist es, Zukunftstechnologien, die ich mir in Schul- und Studiumzeit überlegt habe, in Form von freier Forschung und Entwicklung umzusetzen. Es kam schnell die Erkenntnis, dass ich dafür viel mehr Kapital benötigen würde, als man als normaler Mensch verdienen könnte. Da lag die Idee nahe, die gewonnenen Fähigkeiten zu nutzen, um Produkte zu entwickeln und zu vermarkten und aus deren Erlösen die nächsten Technologien zu entwickeln…

 

Als ein interdisziplinäres Team aus Wissenschaftlern, Ingenieuren, Technikern und Kaufleuten sind Sie sowohl im Bereich Forschung und Produktentwicklung als auch in Produktion und Vertrieb tätig. Inwiefern spielt dabei das Networking am Wissenschafts- und Innovationsstandort Ilmenau, in der Region Thüringen und international eine Rolle?

Networking ist nicht nur wichtig, sondern existenziell für junge Unternehmen. Ohne Netzwerke hätten wir keine Kunden, Lieferanten, qualifizierten Mitarbeiter sowie Zugang zu Forschungsprojekten. Ich komme ursprünglich vom Land und sehe, wie schwer es dort ist, als StartUp wirtschaftlich Fuß zu fassen. Ich kann nur jedem empfehlen, sich intensiv mit den Thüringer Innovationsstandorten zu vernetzen.

Thüringen selbst empfinde ich durch die Vielzahl an kleinen und mittleren Unternehmen als ideales Umfeld für junge Unternehmen: Wir bekommen fast alle erforderlichen Teile für unsere Produkte aus der Region und es gibt vielfältige Möglichkeiten für neuartige Dienstleistungen. Das Fehlen von Großunternehmen und deren Rekrutierungsprogrammen macht außerdem das Finden von geeignetem Personal viel einfacher als an anderen Standorten. Die zentrale Lage in Deutschland und Europa ist für uns ideal. Wenn ab einem gewissen Punkt die Kunden einmal quer über Deutschland verteilt liegen, dann ist der genaue Standort nicht mehr so wichtig – Hauptsache Thüringen!

Im internationalem Vergleich haben wir hier aber noch erheblichen Nachholbedarf, wenn ich sehe, welchen Einsatz man für junge Unternehmen in den USA oder China zeigt… davon kann man hier nur träumen.

 

Als Absolvent der TU Ilmenau bringen Sie umfangreiches Wissen in der Leistungselektronik mit und haben sich im Laufe der Jahre auch umfangreiche Erfahrungen in der Entwicklung von Produkten und Geschäftsmodellen angeeignet, die Sie nun in Ihre Arbeit als Firmengründer und CEO einbringen können. Was sollte man als Gründer noch mitbringen?

Durchhaltevermögen, auch wenn mal was nicht gleich funktioniert, aber auch den Mut, Geschäftsmodelle radikal zu ändern, wenn sich Chancen ergeben. Bei aller Liebe zur Technologie darf man eins nie aus den Augen verlieren, dass das Unternehmen darauf angewiesen ist, zügig profitabel zu wirtschaften. Ansonsten hat man schnell keine Reserven mehr, um in neue Bereiche zu investieren. Diese Flexibilität ist oft der einzige wirkliche Vorteil von kleinen Startups gegenüber großen Unternehmen. Ganz wichtig sind natürlich auch entsprechende Lebensziele und ein starkes Team zu haben, die einen fortwährend motivieren.

 

Inwiefern hat Ihnen bei der Gründung auch Ihr Studium in Ilmenau, die Unterstützung durch den Gründerservice der TU Ilmenau und die Nähe zu anderen jungen und dynamischen Unternehmen an Ihrem Firmensitz im Technologie- und Gründerzentrum auf dem Campus der Universität geholfen?

Das Fachwissen und die Arbeitsmethodik, die ich mir an der Uni aneignen konnte, sind das Fundament unserer Firma. Das Referat Forschungsservice und Technologietransfer und der Gründerservice, vertreten durch Frau Dr. Gerhardt, waren unsere erste Anlaufstelle: Sie haben initiale Kontakte hergestellt und uns allgemein bei allen Gründungsfragen so weit wie möglich unterstützt. Durch unseren Standort im TGZ haben wir wichtige Kunden gewonnen – gerade auch, weil Unternehmen explizit und proaktiv in Ilmenau nach technischen Lösungen suchen. Auch mit anderen jungen Unternehmen entwickeln sich Partnerschaften und eine geschäftliche Zusammenarbeit, wie z.B. mit der Firma CE-SYS Engineering GmbH. CE-SYS Engineering GmbH unterstützt uns bei der Raumluftsimulation und der Ermittlung der optimalen Positionierung unserer Geräte im Raum.

Auch fünf Jahre nach der Gründung arbeiten Sie noch eng mit der TU Ilmenau, insbesondere dem Fachgebiet Anorganisch-nichtmetallische Werkstoffe der Fakultät für Maschinenbau unter Leitung von Prof. Edda Rädlein zusammen. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus?

Wir betreuen gemeinsam Studierende bei Abschussarbeiten und haben auch schon Absolventen als Mitarbeiter übernommen. Die Expertise aus dem Fachgebiet hat außerdem dazu beigetragen, unsere Technologie zu verbessern. Nicht zuletzt haben wir durch die enge Zusammenarbeit auch Zugang zu professioneller Messtechnik und wir planen aktuell auch Kooperationsprojekte im Bereich Forschung und Entwicklung.

Da sind wir gespannt – viele Erfolg dafür und vielen Dank für das Gespräch!

© Thüringer Staatskanzlei
Kontaktieren Sie die Lynatox GmbH ganz einfach

Schreiben Sie uns
eine E-Mail

Rufen Sie uns an
036257 457720

Schreiben Sie uns
über das Kontakt-Formular